RICOH GR III Compact Camera 24 MP APS-C Sensor 28 mm F2.8 GR

Vorweg: Die Ricoh GR III ist kein Allesknner. Sie hat kein besonders lichtstarkes Objektiv. Sie hat kein Schwenk-Display. Sie hat keinen Sucher und keinen eingebauten Blitz. Man kann damit nicht zoomen. Richtig dolles Bokeh bekommt man damit auch nicht hin. Die GR III ist auerdem voll teuer.

Doch wo so mancher (die Mehrheit) obige und weitere Punkte als Kaufabschreckung betrachtet, macht sich die Kamera mit ihrer Kompromisslosigkeit fr andere umso interessanter. Fr mich ist de GR III inzwischen die Kamera, die ich mit Abstand am meisten nutze.

Es ist eben alles eine Frage der Erwartung. Wer zu lauten Beats tanzen mchte, fr den ist Beethoven eine Enttuschung. Und das vollkommen zurecht. Das sagt aber nichts darber aus, dass Beethoven eben auch unbertroffene musikalische Meisterwerke geschaffen hat.

RAW-FETISCHISTEN WERDEN BEKEHRT

Was ich sagen will und was sich die/der an der Kamera Interessierte klarmachen sollte:
Die Ricoh GR III ist ein Werkzeug fr professionelle Knstler und Freizeit- oder auch Mchtegern-Knstler (ambitionierte Amateure”), die ein ganz bestimmtes Ziel verfolgen und eine ganz bestimmte sthetik in ihrer Fotografie wollen. Sie ist optimiert fr Street”-Fotografie, kann aber auch sensationelle Ergebnisse zum Beispiel in der Landschaftsfotografie liefern.

Fr RAW-Fetischisten liefert die Kamera zufriedenstellende Dateien, mit denen in Lightroom oder Capture weitergearbeitet werden kann. Ein Haken hier allerdings: Die sehr starke Vignettierung durch das Weitwinkel-Objektiv, die zwar in den JPG-Dateien, nicht jedoch in den RAW-Dateien bereits in der Kamera ausgeglichen wird. Raw-Liebhaber sollten sich also ein entsprechendes Preset basteln, das die Vignettierung ausgleicht.

Die eigentliche Strke der Ricoh aber sind eben die in vielen Fllen bereits perfekt ausgesteuerten jpg-Bilddateien direkt aus der Kamera und die teilweise sensationellen, weil dezenten und doch zauberhaften, integrierten Filter. Fast schon legendr, zumindest unter Straenfotografen: Hard BW” und Positive Film”.

Soll heien: Wer sich eine Ricoh GR III zulegt, kann sich teure (in der Anschaffung/Miete” der Programme) und langwierige Bildbearbeitung am Rechner in vielen, ja fast allen Fllen sparen.

Viele Hersteller versprechen das, doch in den allermeisten Kameras ist die integrierte jpg-Entwicklung nur ein Spielzeug, das Profis” ohnehin nur belcheln. Vielfach zurecht. Bei der Ricoh ist das anders.

Ich selbst als jahrelanger Lightroom-Nutzer und DSLR-Fotografierer habe es noch immer nicht bers Herz gebracht, die Raw-Funktion in der Ricoh endgltig abzuschalten. Ich habe ganze Festplatten und Cloud-Ordner voller Raw-Dateien, die irgendjemand einmal erben und dann nichts damit anzufangen wissen wird.

KLEIN UND SCHNELL — HARMONIERT MIT DEM SMARTPHONE

Gebraucht habe ich die Ricoh-Raws bisher aber nicht. Echt nicht. Nicht zum Nachbelichten, nicht, um sie zu befiltern”. Die meisten Bilder bearbeite ich inzwischen (Schockschwerenot!), wenn berhaupt, am Smartphone. Und das irgendwo bzw. berall. Im Caf, in der Bahn, auf dem Sofa.

Die Bilddateien sind mit der Ricoh-eigenen App oder einer meiner Erfahrung nach etwas bersichtlicheren App aus China (GR Remote Viewer”) in Sekundenschnelle per Wifi auf dem Telefon und knnen dort mit Snapseed, Lightroom oder welcher App auch immer bearbeitet — oder aufgrund der bereits angesprochenen Qualitt sofort irgendwo verffentlicht werden.

Bei einer echten Auflsung von 6000×4000 in JPG ist da von reinen Instagram-Snapshots keine Rede. Mehr Auflsung tut wirklich nur in ganz, ganz, wenigen Ausnahmefllen Not. Mir fllt fr meine Lebens- und Anwendungswirklichkeit keiner ein.

GEWHNUNGSBEDRFTIGE BRENNWEITE?

Mit umgerechnet 28 Millimetern Brennweite ist die integrierte Linse bei f2.8 auf den ersten Blick keine Sensation. Schon Smartphone-Hersteller werben mit deutlich lichtstrkeren Objektiven.

Doch darauf alleine kommt es eben nicht an. Wenn ich ein Loch in eine Pappe steche, habe ich auch maximale Lichtstrke. Von einem herausragenden Objektiv mchte ich bei meiner so modifizierten Cornflakes-Packung aber dennoch nicht sprechen.

Das Ricoh-Objektiv ist deshalb so stark, weil es erstens ber Jahre und Jahrzehnte immer weiter optimiert wurde — und weil zweitens die ganze Kamera um es herum gebaut wurde — nur fr dieses eine Objektiv. Das macht viele vermeintliche Schwchen wieder wett. Die Bildqualitt der Ricoh GR III kann eine Smartphone-Kamera mit ihren fantastischen, aber eben limitierten, Mini-Linsen aus rein physikalischen Grnden nie, nie, nie erreichen. Ebenso knnen halbwegs erschwingliche Zoom-Linsen sich mit der Perfektion dieses Ricoh-Glases nicht messen.

Klar, fr alle, die lieber auf 35 oder 50mm schieen oder schossen (wie ich), ist die GRIII ein groer Sprung ins Unbekannte. Zunchst fhlt sich die Limitierung, Festlegung, die Kompromisslosigkeit wie ein Hindernis an. Kann ich jetzt noch Menschen oder Gegenstnde fotografieren, ohne zu jedem Objekt hinlaufen zu mssen und ihm die Kamera unter die Nase zu halten? Ist Architektur mit geraden Linien bei dem weiten Winkel berhaupt noch ernsthaft abbildbar?

Auf beides lautet die Antwort: Jein. Umdenken ist angesagt. Nachdenken. Denken. Wer sich auf die Kamera einlsst, stellt fest: Die eingerasteten Automatismen beim Fotografieren werden gelst. Bilder mssen neu komponiert werden. Vorne scharf, hinten unscharf (die Bokeh-Masche) luft hier nicht, zumindest nicht immer. Bilder mssen neu komponiert werden. Schatten und Licht werden wichtiger als vorne und hinten. Wer sich darauf einlsst, kann sich auf sensationelle Ergebnisse freuen. Und zur Not geht bei der hohen Pixeldichte auch immer ein Crop ganz problemlos. Auch da gilt es, mglicherweise Gewohnheiten oder gar Grundstze zu brechen.

SCHNELL, UNAUFFLLIG, ZUVERLSSIG

Dabei ist die Ricoh wahnsinnig schnell. Mit dem Fixfokus” kann sogar (und das ist einzigartig!) der durchaus wettbewerbsfhige Autofokus durch das herzhafte Durchdrcken des Auslsers jederzeit berbrckt werden — und die Linse stellt so blitzschnell, quasi whrend des Auslsens, auf eine vom Nutzer festgelegte Distanz scharf. Fr echte Street-Fotografen ist dieses Feature alleine schon Gold wert.

Zudem ist die Kamera, im Vergleich zumal zu Systemkameras, sehr unauffllig. Auch das schtzen die Straen-Knstler, aber es kommt auch in anderen Situationen gut. Im Museum, bei Festen mit Freunden, auf der Arbeit fuchtelt man den Anderen nicht mehr mit einer riesigen Kamera vor den Gesichtern herum, sondern zckt zwischendurch ganz dezent die kleine Ricoh — und erhlt, wenn man sich auf sie eingelassen hat, Ergebnisse, die mit groen Kameras (oder Smartphones) gar nicht mglich wren.

Ricoh schickt brigens laufend Firmware-Updates heraus, in denen auf Wnsche der Kunden eingegangen wird. Der AF funktioniert somit jetzt in dunklen Situationen besser (noch immer nicht Weltklasse, aber absolut okay und zeitgem), und im Allgemeinen gibt es eine sehr enge Bindung zu den GRisten” mit regelmigen von Ricoh selbst initiierten Treffen. Vor allem in Japan, inzwischen aber auch weltweit. Auch in der Hinsicht bietet Ricoh also besonderes.

KEIN MULTITOOL — UND DOCH IMMER DABEI?

Die Kamera ist also nicht als Multitool ausgelegt und kann deshalb auch nicht mit den meisten anderen Kameras verglichen werden. Warum gilt sie dann vielen doch als die Immer-Dabei-Kamera?

Es ist eine von vielen geteilte Erfahrung, dass es der Qualitt der Fotografie selten abtrglich, meistens sogar zutrglich ist, wenn die technischen Mglichkeiten eingeschrnkt sind. Diesen Weg geht Ricoh mit dieser Kamera konsequent. Wer sich einmal auf die Rahmenbedingungen eingelassen hat, findet in der GR III ein mehr als solides Werkzeug, um bei entsprechendem Talent und/oder Knnen im Alltag Fotografien in sogenannter Profiqualitt” zu machen.

In so kompakter Form gibt es in wohl keiner anderen Kamera der Welt so viele Mglichkeiten rund um ein qualitativ herausragendes 28-Millimeter-Objektiv. Das ist Nische — aber das kann was.

Dass die Japaner dafr dann vergleichsweise viel Geld verlangen, liegt daran, dass sie die Mglichkeiten, die sie zulassen, optimieren. In der kleinen Ricoh steckt zum Beispiel ein Bildstabilisator. Haptisch fhlt sich die kleine Kamera einfach gut an. Das Design ist klassisch-schlicht, makellos. Alles ist genau da, wo es sein soll. Zahlreiche kleine Gimmicks wie die Play-Taste, mit der die Kamera aktiviert werden kann, ohne die Linse auszufahren, zeugen davon, dass es eine Fotografen-Kamera ist, keine, die auf Profit entworfen wurde.

ZU TEUER?

Ricoh hat so viele Features und so viel Qualitt in der GR II verbaut, dass es einem schon etwas merkwrdig vorkommt, wenn einige sagen, dass 899 Euro dafr zu teuer seien. Sicherlich knnten auf dem Papier hnliche Spezifikationen fr einen geringeren Preis mglich sein. Vergleichen mit dem, was Anbieter wie Leica (bei aller Wertschtzung fr die herausragende Qualitt) fr ihre Produkte verlangen, liegt Ricoh aber noch im deutlich preiswerten” Bereich.

Dass der Blitz eingespart wurde bemngeln einige, und sie haben dafr aus ihrer Sicht jeweils natrlich gute Grnde. Doch dass Ricoh die Kamera nochmal kleiner gemacht und zugleich einen Bildstabilisator eingebaut hat, der den riesigen Sensor hinter der Linse schweben”lsst, gleicht das meiner Meinung nach mehr als aus. Wer vernnftig blitzen will, der legt sich ohnehin ein externes Gert, zum Beispiel der Firma FlashQ, zu, und bleibt damit noch immer akzeptabel kompakt.

Dass die Kamera keinen Sucher hat, beschftigt mich schon eher — und ich habe mir schlielich den passenden optischen Sucher dazugekauft. Als ich mich dann schlielich ganz und gar an die kompromisslose GR III gewhnt hatte, fiel mir allerdings auf, dass ich den Sucher kaum noch nutzte.

Ja, fr eine Kamera, die nur” gut darin ist, Fotos in einer bestimmten Brennweite zu machen, deren Videofunktion passabel aber nicht weiter erwhnenswert ist (ich nutze sie berhaupt nicht) und die so klein ist, wie sie eben ist, klingen 899 Euro nach viel. Doch, um wie bei Beethoven zu Beginn bei etwas schiefen Bildern zu bleiben, fr ein kleines Cabriolet, das seine Sache richtig gut kann und sich dabei noch so verdammt gut anfhlt, sich aber nicht als Familienkutsche mit Ikea-Stauraum eignet, zahlt man eben auch vergleichsweise viel mehr als fr den kleinen Kombi-Allesknner.

FAZIT

Es ist eine Frage der Erwartung, die man an das Gert hat. Bei mir haben die Erwartungen mit der Leistung bereingestimmt, sie wurden stellenweise sogar bertroffen. Die Ricoh GR III macht gestochen scharfe Bilder, in denen Licht und Schatten klar definiert sind und die schlicht nach Qualitt aussehen. Die Farbbilder im Positive Film”-Modus sind wunderschn — die Schwarzweibilder direkt aus der Kamera sagenhaft.
Wer keinerlei knstlerische Ambitionen hat, fr den ist die GR III die falsche Kamera. Denn auch wenn sie sich fr viele als die meistgenutzte Kamera, als die, die man immer dabei hat, herausgestellt hat, verlangt sie dem Fotografierenden ab, sich zumindest einmal grundstzlich mit dem Thema Fotografie auseinandergesetzt zu haben, um die kompromisslose Einfachheit und Qualitt, die die Kamera bietet, voll wertschtzen und ausschpfen zu knnen — und somit den Preis zu rechtfertigen.

Warum 5 Sterne? Weil die Kamera fr mich und meine Zwecke die beste ist, die ich je hatte und weil sie in allen Punkten meine Erwartungen (ber-) erfllt hat.

POSITIV UND NEGATIV

+ klein
+ leicht
+ schn
+ schnell
+ herausragende direkte jpg-Dateien
+ ber Kamera-Generationen hinweg optimiertes Objektiv inkl. Sonnenblende
+ die Kamera ist zu 100% auf das Objektiv ausgerichtet
+ von Fotografen fr Fotografen — hat das gewisse Etwas”
+ integrierter Bildstabilisator
+ Leichte Bedienbarkeit: Gut funktionierende Automatik-Modi sowie umfangreiche Einstellmglichkeiten
+ viele Tasten lassen sich vom Nutzer nach Wunsch belegen

+/- integrierter Blitz und Sucher fehlen — mich strt es nicht, einige vermissen es

– der Objektivring” zum Schutz der Kontakte fr ein optionales Vorsteck-Objektiv fllt immer wieder ab. Das hat null Auswirkungen auf die Funktion der Kamera und ich finde, ohne Ring sieht die Kamera sogar fast noch cooler aus. Aber es passt nicht zur ansonsten so makellosen Wertigkeit” der Kamera. (Tipp: Uhu hilft 😉 )
– In der ersten Serie gab es Probleme mit locker sitzenden Tasten bzw. einem schiefen Auswahlrad. Das hat Ricoh schnell behoben und man kann die Kamera nach Hamburg schicken, wo das kostenlos repariert wird, sollte man ein Modell aus der frhen Produktion haben. Schade, war ein gefundenes Fressen fr Kritiker — hatte aber, wie der Objektivring auch — berhaupt keine Auswirkungen auf die Funktionalitt der Kamera.
– Angeblich soll es noch immer eine gewisse Anflligkeit fr Staub auf dem Sensor geben. Ricoh hat zwar jetzt einen Schttelmechanismus verbaut — der soll aber nicht alle Probleme lsen knnen. Ich kann allerdings nach einem halben Jahr intensiver Nutzung nichts von Staub auf dem Sensor berichten. Es sei hier nur genannt.
– Im Dauereinsatz, zumal im Sommer, kann die Ricoh recht hei werden. Allerdings schaltet sie sich dann von selbst ab, da passiert also nichts. Ist bei mir tatschlich schon vorgekommen. Allerdings erst ein- oder zweimal.
– Kein Klappdisplay. Strt mich auch berraschend wenig, zumal es ja auch keinen Sucher gibt. Das Display kann jedoch sehr unkompliziert sehr hell gestellt werden und zeigt aus allen Winkeln ein gutes Bild. Aber ja, so ein Klappdisplay wre natrlich super an der GR IV– wenn es nicht zu klobig ist.